LIED EINES RENNPFERDS AUF
DEM WEG ZUM SCHLACHTHOF
Die Zeiten haben sich geändert:
mein Herz
hängt zum Trocknen in den Zweigen
der Weide, die Ruten tief
übers Wasser gebeugt.
Meine Augen sind nun Zwiebeln
in der frostigen Erde,
einsam wälzen sie sich in ihrem Maulwurfsbau-
meine Augen scheinen in der
Unterwelt angekommen zu sein.
Meine Zähne klappern wie
herrenlose Zaunslatten,
alle Besitztümer meines Gaumens restlos
aufgeteilt: Heu & Hafer
wirbeln im Niemandsland.
Meine Nüstern blähen sich
als der letzte Husten-
im metaphysischen Schnupfen meiner Seele
sind die Dinge so unterscheidbar
wie Magenschleim.
Nur die Beine- ihre Muskeln
zucken wie eh und je
(ein zerhackter Frosch bei Gewitter, so
kommen die Impulse direkt
vom Himmel herabgeschossen).
Meine Beine sind die einzigen
Teile dieser Welt,
auf die wirklich und wahrhaftig Verlaß ist-
meine Beine sind noch immer
mein ganzer Stolz.
Elastisch pendeln sie im
Nirwana aufgelöster Freuden,
ihre Gelenke verbinden Erdteile miteinander,
unter diesen Hufen erzittert
der alltägliche Kosmos.
Wären nicht meine Beine,
ich würde mich einfach
absacken lassen in jenen düsteren Grund,
wo von einer gesichtslosen
Wehmut die Gnadenschüsse
gratis in der Welt verteilt
werden: doch die Zeiten
haben sich geändert, früher wurden Klepper wie ich
zum Pflügen besitzloser Landstriche
abgestellt- heute
treiben sie uns nur noch
die Landstraßen entlang,
vorbei an ihren Hotels & Tankstellen,
heute führen alle Wege in
die Abdeckerei...
Doch ich will nicht den Anschein
erwecken, dieses
sei ein Klagegesang- zu kostbar ist die
Luft meiner Lungen der zitternden
Hülle des Abendlichts.
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